Ende der 1960er Jahre war Ergonomie der alles bestimmende Begriff. Einrichter und Designer begaben sich leidenschaftlich auf die Suche nach vollkommener Flexibilität ihrer Kreationen, so auch Gatti, Paolini und Teodoro. Ihr Ziel war die Schaffung eines unkonventionellen und doch für ein breites Publikum zugänglichen Sitzmöbels. Im Idealfall sollte das Stück seinen Besitzer an Schnee erinnern: „Man wirft sich hinein und hinterlässt einen Abdruck“.
Die Zahl anpassungsfähiger, sich in ihrer Form ändernder Möbel war in jenen Jahren überschaubar. So existierten zwar bereits Wasserbetten, jedoch mit unhandlichem Maßen und sehr hohem Gewicht. Die französische Gruppe Utopie experimentierte mit aufblasbaren Gummistrukturen, mit Hilfe derer Möbel recht einfach transportiert werden konnten. Jedoch entsprach die Ästhetik dieser Modelle nicht den Vorstellungen des Teams um Gatti. 1967 wurde dann der auf Luft basierende Sessel Blow von Italiens Einrichtungspionier Zanotta vorgestellt. Design, verwendete Materialien und Herstellverfahren waren revolutionär, der Sessel aufgrund seiner sehr harten Oberfläche jedoch recht unbequem. Daher wählten die drei Designer Schaumstoff als Grundlage ihres Sitzmöbels und experimentierten anfangs mit Blöcken aus Polyurethan; deren Beschaffung und Verarbeitung erwies sich jedoch als komplex und kostenintensiv. So konzentrierten sich Gatti, Paolini und Teodoro auf Füllungen in Form von Kugeln, das Team verwendete anfangs gar Ping-Pong-Bälle. Letztendlich fündig wurde Gatti in der Baustoffindustrie, dort setzte man schon längere Zeit Schaumstoffkügelchen zur Isolierung und Dämmung ein.
Entscheidender Impuls aus den USA
Nach Beendigung der Arbeiten beließen die drei Designer den ersten Prototyp zunächst im Depot – aufgrund ihrer Skepsis ob des kommerziellen Erfolgs eines solchen Sitzsacks. Nachdem jedoch ein amerikanisches Designmagazin um Bilder ihrer aktuellen Arbeiten bat, übermittelte das Team Ende 1967 auch ein Foto des Sacco. Kurze Zeit später meldete sich der italienische Repräsentant von Macy’s, der mächtigen Warenhauskette mit Sitz in New York. Produktscouts der Zentrale hatten den Sacco in besagtem Magazin entdeckt, nun wär man „an etwa 10.000 Exemplaren“ interessiert. Gatti erklärte, dass der Prototyp noch weiter modifiziert werden muss und ein Produktionsstart nicht abzusehen sei. Informationen zu Preisen und Lieferfristen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfügbar.
Das Angebot über die Abnahme von 10.000 Exemplaren erleichterte dem Team die Kontaktaufnahme mit in Frage kommenden Produzenten. Schnell fiel die Wahl dabei auf Zanotta, die kurz zuvor mit oben erwähntem „Blow“ eines der wenigen vergleichbaren Möbelstücke der Öffentlichkeit vorgestellt hatten. In kurzer Zeit gelang es, die Inhaber vom Potential des Sacco zu überzeugen. Zanotta produzierte drei Prototypen und stellte diese erstmalig auf der Pariser Möbelmesse im Jahr 1968 aus. Der Rest der Geschichte ist. Der Sacco wurde vielfach prämiert und feierte 2018 sein 50-jähriges Bestehen. Zu Ehren dieses Jubiläums legte Zanotta eine limitierte Edition mit 50 exklusiven Modellen auf – mit so wohl klingenden Namen wie Bellissima und Il Casanova.